Geschichten neu schreiben

Erfahrungsberichte  


Der Lärm ist ohrenbetäubend. „Jaaaa!“ schreien zweihundert Kinder und ihre erwachsenen Begleitpersonen – ich schreie mit. Wenn der Kasperl auf der Bühne der Urania oben meint, dass er uns nicht gehört hat, dann sind wir natürlich beim nächsten Mal „Seid ihr alle da?“ noch lauter. Hier ist klar, was von uns, dem Publikum, erwartet wird.

Als kurz darauf Kasperl und Pezi auf der ihre Mitbewohner:innen im Märchenland besuchen, kommen sie zuerst zum Knusperhäuschen. Kasperl und Pezi missverstehen die Situation, als die Hexe Hilfe braucht, um im großen Backofen etwas zu suchen – sie denken, dass die Gretel die Hexe in den Ofen schieben will, und die Hexe ist genervt: „Das haben wir längst hinter uns.“ Sie wird dann auch liebevoll „Knusperhexi“ genannt und es ist klar, dass sie und die Gretel eine Freundschaft verbindet. (Der Hänsel ist gerade auf Sportwoche; es scheint aber auch zu dritt recht gut zu laufen in der Wohngemeinschaft im Lebkuchenhaus).

So können Narrative umgeschrieben werden und damit entmachtet; aus dem Grauslichen wird etwas Schönes, aus dem Negativen etwas Positives. Ganz ähnlich können wir das auch mit den Geschichten tun, die wir uns selbst erzählen.

Ein paar Stunden zuvor bin ich in der Sauna gesessen mit meiner besten Freundin aus Kindergartentagen, Irene. Sie erzählt etwas über ihre ausgedienten Glaubenssätze, Beliefs und ich füge für sie hinzu: „bisher war das so“. Das ist das Zauberwort, das im Coaching genauso wirkmächtig ist wie beim Lernen von neuem Lernstoff bei den Schulkindern: „Bisher“. Statt „immer“ und „nie“: Bisher haben wir das so gemacht. Bisher konntest du das nicht. Bisher habe ich so über mich gedacht.

Während wir einen Eiszapfen auf den heißen Steinen des Saunaofens zergehen lassen und die Haut in der Hitze nach dem Schneewutzeln prickelt, erzähle ich Irene von meinen Geschichten, die ich mir über mich selbst erzählt hatte und die sich geändert haben in den letzten Jahren: Ich bin nüchtern, nicht mehr die, die auf jeder Feier den meisten Alkohol verträgt. Ich bin nicht mehr Sport-feindlich, sondern sportlich (wenn auch gerade in Winterruhe).

Irene nickt begeistert und sagt: „Jaaa!“ Gar nicht ohrenbetäubend, aber enthusiastisch.

Und jetzt du:

Meine Geschichten, die ich mir über mich selbst erzähle, immer wieder kritisch betrachten und gegebenfalls neu schreiben: so wird das Leben gut.

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