„Jetzt mach schon!“ Ich rede mit dem Kastl, werde ärgerlich. Nach weiteren Versuchen bitte ich den Bartträger um Hilfe – heute ist es mal ein Vorteil, dass er mein direkter Sitznachbar ist im Home Office. Er schiebt mich zur Seite, diese Geste nervt mich normalerweise total, aber jetzt hoffe ich auf seine technischen Wunderkräfte. Vergeblich. Auch er kann nichts mehr machen.
Ich realisiere schnell, was das bedeutet: Alles weg. Speicherkarte tot. Kein Backup. Keine Sicherungskopie, schon lange nicht mehr. Die externe Festplatte, die ich dafür gekauft habe, liegt direkt hinter mir; sie liegt dort schon seit mehr als sechs Monaten. Ungenutzt. Ungeschützt, alles weg: Arbeitsunterlagen. Fotos. Fotos! Alle meine Fotos! In dem Moment setzt ein Verdrängungsmechanismus ein. Ich rede zwar in den nächsten Tagen viel darüber, was passiert ist, aber ich kappe die Verbindung zu meinen Gefühlen. Ich erzähle es allen, allen, damit zumindest andere aus meinen Fehlern lernen. Die tun das auch, machen Sicherungskopien, laden hoch in die Cloud.
Ein paar Wochen später bekomme ich eine Festplatte geschickt mit den Resten, die die Profis sichern konnten. Zweieinhalb Jahre Daten verloren. Für immer. Diese Erkenntnis kann ich immer noch nur ganz kurz zulassen. Mir dann immer wieder sagen: Es sind nur Fotos. Es sind nicht die Erinnerungen selbst, nicht die Erlebnisse. Nur die Erinnerungsstützen. Auf dem Handy sind dann noch ein paar, andere tauchen auf der Speicherkarte der Spiegelreflexkamera auf und ein paar bekomme ich sozusagen „zurückgeschickt“ von Familie und Freundinnen. Gut, dass meine Texte zumindest noch alle da sind – weil ich alles zuerst mit der Hand schreibe. Und nichts wegwerfe, mich nicht trennen kann. Aber nun das: Meine Lektion im Loslassen. Eine Lektion, die nächste. Lernen macht echt nicht immer Spaß.