Sie hat mir einen Rohtext vorgelesen, das machen wir ab und zu, seit wir gemeinsam in Venedig waren beim Writers‘ Retreat. Vorlesen, die erste Stufe des Feedback. Die Texte selbst hören und wissen, dass ein wohlwollendes Gegenüber sie ebenfalls hört. Ein Wagnis, jedes Mal wieder, und fast immer ein unglaublicher Gewinn. Heute hat Julia geschrieben über ein Thema, dem wir uns im Gespräch schon öfter genähert haben, aus unserer jeweils persönlichen Perspektive und Betroffenheit, wobei wir immer wieder schnell an Punkte kommen, wo diese sich berühren. Heute habe ich meine Morgenseiten geschrieben und da ist das Thema wieder aufgetaucht, das habe ich Julia in eine Textnachricht kondensiert. Einige Zeit später Julias Antwort: „Musste meinen ursprüngliche Schreibimpuls gegen deinen austauschen.“ Und dann ihr frisch entstandener Text als Sprachnachricht, die mich zum Weinen bringt.
Mich hat etwas bewegt, ich habe darüber geschrieben und das mit Julia geteilt. Das hat sie bewegt, sie hat darüber geschrieben. Das mit mir geteilt und nun bin ich bewegt, zutiefst. So geht uns das gerade oft, meinen Freundinnen und mir. Wir öffnen uns einander, füreinander, teilen, was uns bewegt und teilen damit auch die Bewegung. Wie diese Kugeln an Schnüren, die in den 80ern auf Schreibtischen auftauchten, die Modelle für Kraftübertragung. Bei uns ist es allerdings tänzerisch, sanft, mehr „Go with the Flow“ als bloßes Klack-Klack. Bei uns wird die Kraftübertragung auch nicht mit jedem Mal schwächer, sondern sie ebbt ab und schwillt wieder an, in ihrem ganz eigenen Rhythmus.