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Ich tapse barfuß über den Holzboden, ganz leise, damit ich niemanden im Haus aufwecke. Ich kriege die Augen kaum auf, aber ich musste so dringend aufs Klo. Der Weg zurück führt vorbei an der Veranda, durch die Fensterreihe sehe ich den Tisch, an dem wir gestern Abend saßen und feierten, endlich wieder hier zu sein, in „unserem“ mökki, dem roten Holzhaus zwischen den hohen Kiefern und Birken. Es ist irgendwann in den frühen Morgenstunden, nach meinem Verständnis noch mitten in der Nacht, aber Ende Juli ist es schon sehr früh hell hier in Finnland.
Ich sehe bis zum See, auf dem noch feine Nebel schweben, und da höre ich, wie er mich lockt. Er ruft nach mir, sagt: „Komm in meine Arme! Ich will gut sein zu dir!“ und ich folge seinem Ruf. Ich hatte zum Schlafen mein rotes Frotteekleid an, über dem Hintern prangt der Schriftzug Sauna, auf dem Kopf habe ich die spitze Kapuze und so gehe ich hinaus, ein verschlafener Wichtel, über die paar Stufen hinunter auf den Holzweg, der bis ans Ufer führt. Ich hänge das Saunakleid und mein Handtuch über das Geländer vom Steg und spüre die Kiesel unter meinen Sohlen, dann das kühle Wasser, es wird rasch tiefer, der Boden erst sandig, dann schlammig, aber da schwimme ich schon los.
Er hat nicht zu viel versprochen, der See: Er ist gut zu mir, das Wasser weich auf meiner nackten Haut, er umarmt mich und trägt mich und ich schwimme, schwimme, sehe die letzten Nebelschwaden verschwinden, meine Arme teilen die Spiegelung vom Himmelsblau, die immer mehr glitzert, je höher die Sonne steigt. Neben den Ufern, die hier so nahe sind wie an einem Fluss, spiegelt sich der Wald in Grüntönen, dazwischen rötlichbraun die Kiefernstämme, und weißschwarz die Birken. Wasserläufer sagen Hallo und eilen weiter, hin zu den Seerosen, zu den Moosbeeren, die fast ins Wasser hängen, zu den Felsen mit den leuchtgelben Flechten.
Ich schwimme weiter und weiter, komme bis zur Biegung; da schwimme ich zurück und ich weiß, dass alles gut ist. Ich bin wieder hier und ich bin wieder bei mir. Später lege ich mich nochmal ins Bett und schlafe bis alle anderen auf sind und der Kaffee duftet. Der See und ich, wir haben unser Geheimnis.